Ausbildung und Bewerbermanagement im Großformatdruck: Wider den Fachkräftemangel
In vielen Unternehmen in den Bereich Großformatdruck wird über einen Mangel an qualifizierten, motivierten Mitarbeitern und Fachkräften geklagt. Wie ist die Situation wirklich, und was tun Unternehmen dagegen?
Der Fachkräftemangel behindert das Wirtschaftswachstum im deutschen Mittelstand. Das hört man oft, auch in der Druckindustrie: Laut Jahresbericht 2017 / 18 des Bundesverbandes Druck und Medien (bvdm) rechnen 81 % der befragten Unternehmen für die nächsten fünf Jahre mit einem steigenden Bedarf. Die Gesamtzahl der Azubis lag 2016 und 2017 (neuere Zahlen liegen noch nicht vor) allerdings relativ stabil bei gut 12.000.
Bei gut achttausend Betrieben mit mindestens einem sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter und insgesamt knapp 134.000 Beschäftigten ist das eine beachtlich hohe Quote: Etwa jeder neunte Mitarbeiter in der Druckindustrie steckt in einer Erstausbildung. Duale Studiengänge, Berufspraktika, Fachschulausbildungen, Trainee-Stellen und firmeninterne Weiterbildungen sind in diesen Zahlen noch gar nicht berücksichtigt. Auffällig ist dabei, dass im Bundesdurchschnitt 65 % der Azubis als Mediengestalter Digital und Print ausgebildet werden. Die Nachfrage nach dieser Ausbildung ist nach wie vor hoch, weniger beliebt sind laut bvdm-Jahresbericht handwerklich geprägte Ausbildungen wie Medientechnologie Siebdruck, Buchbinder oder Packmitteltechnologe.
Nun bildet beileibe nicht jede auf den digitalen Großformatdruck spezialisierte Druckerei jedes Jahr aus. Wo mit einer gewissen Regelmäßigkeit Azubis aufgenommen werden, ist die Spannbreite der angebotenen Lehrberufe allerdings groß. Bei der Dommer Stuttgarter Fahnenfabrik sind es beispielsweise fünf, darunter Kaufleute und Logistiker, aber auch technische Konfektionäre. Bei Onlineprinters – diedruckerei.de kommen zu den Kaufleuten etwa noch Maschinen- und Anlagenführer sowie Medientechnologen für Druck und Weiterverarbeitung.
Flyeralarm bildet ab dem Ausbildungsjahr 2018 / 19 in insgesamt 13 Sparten aus. Bei allen drei Unternehmen wurde mindestens ein Azubi zum Kaufmann / Kauffrau für E-Commerce neu aufgenommen bzw. soll 2019 / 20 hinzukommen. Das zeigt einerseits die Attraktivität des neuen Berufs für Betriebe wie Bewerber, andererseits auch, wie wichtig das Online-Geschäft für viele Druckereien geworden ist.
DIE MÄR VOM BEWERBERMANGEL
Knapp 1,9 Millionen Absolventen schlossen in Deutschland 2017 nach den Zahlen des Statistischen Bundesamtes die Schulen ab, davon etwa 23 % mit allgemeiner oder Fachhochschulreife. Bei jährlich etwa 4.700 Azubi-Stellen in der betrieblichen Ausbildung in der Druckindustrie sollte es also eigentlich nicht so schwierig sein, diese zu besetzen. Selbst wenn viele Jugendliche und junge Erwachsene mit entsprechendem Abschluss lieber gleich ein Studium aufnehmen.
Gerade größere oder lokal bekannte Druckereien scheinen aber auch keinen Bewerbermangel zu kennen: Bei Flyeralarm bewerben sich, so Thomas Broßmann, HR Apprenticeship Consultant, etwa 900 Nachwuchskräfte auf die jährlich rund 50 betrieblichen Ausbildungen bzw. Plätze im Rahmen dualer Studiengänge. Auch Sandra Reljić, Head of HR, Onlineprinters – diedruckerei.de berichtet von hunderten Bewerbern pro Jahr.
Selbst bei der deutlich kleineren H&D Digitaldruck GmbH in Karlsfeld gehen pro Woche etwa ein bis zwei Initiativbewerbungen ein – und das, obwohl das Unternehmen derzeit gar nicht ausbildet. 40 bis 50 Bewerber jährlich melden sich auch bei Oschatz visuelle Medien. Dort ist die Ausbildung für Kaufleute in der Marketingkommunikation am beliebtesten. Alle vier genannten Unternehmen unterhalten übrigens Facebook-Profile, Flyeralarm sogar eine ganze Anzahl davon. Es ist also wahrscheinlich, dass Employer Branding in den sozialen Medien durchaus Einfluss auf den Bewerber-Pool hat.
Allein schon demografisch bedingt steigt bei den Bewerbern auf Ausbildungsplätze, aber auch qualifizierte Stellen, der Anteil an Personen mit erhöhtem Förderungsbedarf. „Wir haben viele Angestellte mit Migrationshintergrund, wo die Sprache noch eine Barriere darstellt“, berichtet etwa Patrick Welte, Geschäftsführer der H&D Digitaldruck GmbH. „Wir unterstützen diese aber und schicken sie beispielsweise auf unsere Kosten zum Deutschkurs.“ Ähnlich äußern sich auch Reljić und Broßmann. Bei Flyeralarm gibt es sogar über ein eigenes Learning-Management-System einen Direktzugang zur entsprechenden E-Learning-Plattform für Mitarbeiter.
Onlineprinters bietet außerdem gesundheitlich eingeschränkten Personen leidensgerechte Arbeitsplätze an. „Unsere Schwerbehindertenvertretung nimmt die Interessen gesundheitlich eingeschränkter Personen wahr und steht diesen zur Seite“, so Reljić, und auch bei Oschatz wird ein Mitarbeiter mit gesundheitlichen Einschränkungen beschäftigt.
DIE BEWERBER WERDEN IMMER SCHLECHTER?
„Natürlich freuen wir uns, wenn Bewerber gute Schulnoten mitbringen“, sagt Broßmann, der seit 2016 die Ausbildung bei Flyeralarm mit viel Herzblut betreut und dafür umfangreiche Strukturen aufgebaut hat. „Die Berufsschule hat heute schließlich hohe Anforderungen. Nicht weniger wichtig ist uns allerdings, dass die Bewerber zu uns passen müssen: Haben sie vielleicht schon mal ein Praktikum in einem relevanten Bereich gemacht? Kommen sie womöglich von einer FOS für Gestaltung oder einer Wirtschaftsschule? Passt die persönliche Einstellung zu uns? Flyeralarm hat flache Hierarchien – Eigenverantwortung wird bei uns großgeschrieben.“
Zwischen 60 und 70 Azubis in allen Lehrjahren gibt es jeweils im Jahresdurchschnitt, die derzeit mit 18 Ausbildern von einer sehr engen und persönlichen Betreuung profitieren können. Hinzu kommen die „Paten“, Azubis aus höheren Ausbildungsjahrgängen, mit denen die neu Hinzugekommenen im Rahmen des jährlichen dreitägigen Onboarding-Events bekannt gemacht werden. „Über diese Strukturen können wir etwaig auftretende Herausforderungen in der Ausbildung gut abfangen“, erzählt Broßmann.
Mit jährlichen, sehr aufwendigen Events wird der Teamgeist gestärkt. Die Azubis können (und müssen!) sich während der Ausbildungszeit auch eigenverantwortlich um gemeinnützige Projekte kümmern. „In anonymen internen Umfragen betonen die Azubis immer wieder, wie zufrieden sie mit der Ausbildung sind“, freut sich Broßmann. 99 % der Azubis schließen ihre Lehrzeit erfolgreich ab.
Die besondere Qualität der Ausbildung wurde kürzlich auch vom bvdm honoriert, denn bei den Druck & Medien Awards 2018 wurde Flyeralarm als „Ausbildungsbetrieb des Jahres“ ausgezeichnet. Mit über 2.200 Mitarbeitern und rund 30 Personen allein in der Personalabteilung von Flyeralarm lässt sich freilich manches etwa einfacher möglich machen als in kleineren mittelständischen Unternehmen. Doch auch bei Oschatz Visuelle Meiden mit seinen etwa 55 Mitarbeitern hat man sich die Förderung der Mitarbeiter auf die Fahnen geschrieben: „Unsere Azubis lernen sehr schnell selbstständig und eigenverantwortlich zu arbeiten, was sie ungemein motiviert. Zusätzlich bieten wir unseren Mitarbeitern an, die sich weiterbilden wollen, z. B. in Form eines berufsbegleitenden Studiums, dieses sowohl zeitlich als auch finanziell zu unterstützen“, sagt Geschäftsführer Daniel Oschatz.
DIE DRUCKINDUSTRIE IST NICHT „SCHICK“
Der bvdm engagiert sich mit der Kampagne „Gestochen scharf – perfekt veredelt“ dafür, die Ausbildung in Betrieben der Druck- und Weiterverarbeitungsindustrie nicht nur stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stellen. Sondern er will mit einem gleichnamigen für Mitglieder kostenfreien Leitfaden zur Nachwuchswerbung auch den Firmen selbst unter die Arme greifen. Mit Durchschnittsvergütungen von etwa 900 Euro (brutto) für Mediengestalter im ersten Jahr gehört der beliebteste Beruf im Umfeld zu den besser bezahlten Ausbildungen. Ähnliches gilt für Medientechnologen, die zudem nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung oft mit Facharbeiterlöhnen um die 3.000 Euro (brutto) im Monat rechnen können. Trotzdem ist für Nachwuchskräfte eine Karriere im Druck- und Medienbereich oft wenig attraktiv.
Das hat eine ganze Reihe von Ursachen. So wird das Bild der Industrie in der Öffentlichkeit oft einseitig negativ dargestellt: Altmodisch und schlecht für die Umwelt – auf die Generation der Millennials wirkt das nicht unbedingt attraktiv. Viele werden sich wohl auch fragen, ob es als Berufseinsteiger klug ist, in eine Branche einzusteigen, die in vielen Bereichen von rückläufigen Zahlen geprägt ist. Oft ungünstige oder unregelmäßige Arbeitszeiten machen den Einstieg für Jugendliche wohl nicht attraktiver. In den Bereichen Großformatdruck und Messebau sind Wochenend- und Schichtarbeit sowie lange Überstunden ja auch tatsächlich nicht so selten. „Wir haben deshalb interne Vereinbarungen, dass Azubis an maximal zehn Tagen im Ausbildungsjahr in anderen Abteilungen unterstützen, wenn einmal ‚Not am Mann‘ sein sollte“, erklärt Broßmann.
Ein weiteres Hindernis bei der Nachwuchsgewinnung dürfte sich daraus ergeben, dass Druckereien schon allein wegen ihres Platz- und Energiebedarfs sich zumeist nicht in oder in der Nähe von begehrten „Schwarmstädten“ befinden. Schließlich, und auch das darf man nicht unterschätzen, kommen Kinder und Jugendliche heute deutlich weniger mit klassischen Print-Produkten wie Büchern oder Heften in Berührung, sodass sie die Industrie kaum „auf dem Schirm“ haben. Doch es gibt auch ganz praktische Hindernisse. Denn anders als bei „Allerweltsberufen“ mit Zehntausenden Azubis pro Jahr sind die Berufs- schulen für viele Ausbildungen im Bereich Druck und Medien an wenigen zentralen Orten zusammengefasst. Das bedeutet unter Umständen lange Schulwege für zum Teil noch Minderjährige.
Sonderleistungen und Übernahmeaussichten In der Öffentlichkeit dürften die guten Berufsaussichten junger Fachkräfte zwar nur wenig bekannt sein. Tatsächlich aber gibt etwa H&D an, „alle Azubis der letzten zehn Jahre nach der Ausbildung auch übernommen“ zu haben. Auch bei Oschatz sind die Aussichten auf Übernahme, so Daniel Oschatz, „sehr groß.“: „Wir sind immer daran interessiert, unsere selbst ausgebildeten Fachkräfte auch weiter zu beschäftigen“.
Der Ausbildungsjahrgang 2018 bei Onlineprinters blieb dem Unternehmen erhalten, „für engagierte Auszubildende ist eine Übernahme garantiert“ versichert Reljić. Auch bei Flyeralarm liegt die Übernahmequote bei 92 Prozent. Damit die gewonnenen Mitarbeiter dem Unternehmen auch langfristig erhalten bleiben, tun gerade große Druckereien so einiges: Bei Flyeralarm werden unter anderen etwa interne Weiterbildungen, verschiedene Aktivitäten des firmeneignen Gesundheitsmanagements, aber auch eine Mitarbeiter- Rabattkarte angeboten.
Flexible Arbeitszeiten bei 30 Urlaubstagen und einigen weiteren betrieblichen Angeboten sind selbstverständlich. Auch bei Onlineprinters dürfen die Mitarbeiter bis zu 13,5 Monatsgehälter mit Urlaubs- und Weihnachtsgeld, 30 Tage Urlaub im Jahr, vermögenswirksame Leistungen und eine betriebliche Altersvorsorge erwarten. Ähnlich wie bei Flyeralarm gibt es regelmäßige Teamevents und gemeinsame Sportaktivitäten.
Für kleinere Unternehmen in Digital- und Großformatdruck oder auch Werbetechniker ist es aus administrativen und finanziellen Gründen oft deutlich schwieriger, derart attraktive Ausbildungsplätze zu schaffen. Freilich gibt es viele Möglichkeiten, gesuchtes Nachwuchs- und Fachpersonal anzusprechen und zu binden, wie beispielsweise Partnerschaften mit örtlichen Schulen und Weiterbildungseinrichtungen – aber auch mit befreundeten Betrieben, durch die Auszubildende rotieren können, um während der Lehre ein breiteres Aufgabenspektrum kennenzulernen. Mehreren Firmen gemeinsam gelingt es auch leichter, etwa Nachhilfeunterricht bei Schwierigkeiten in der Berufsschule zu organisieren.
Auch monetäre Anreize wie Firmenwagen oder -handy, oder auch ein Zuschuss zum Mittagessenverfehlen ihre Wirkung meist nicht. Ganz deutlich kristallisiert sich jedoch heraus, dass Arbeitgeber aus der (großformatigen) Druckindustrie heute mehr denn je Anstrengungen unternehmen müssen, um attraktive Ausbildungs- und Arbeitsplätze anzubieten. Der Kampf um die besten Köpfe ist in vollem Gange.
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