Schwer entflammbar: Brandschutz bei Verwendung von Inkjet-Drucken
Für den Einsatz textiler Werbeflächen in öffentlichen Gebäuden und bei Veranstaltungen muss in Deutschland der Nachweis der Schwerentflammbarkeit erbracht werden. Ohne Beachtung der Vorschriften zum Brandschutz geht nichts. Doch was schreibt der Brandschutz vor – und welche Normen gelten international und wie wird "schwer entflammbar" letztlich definiert? Was fordert die Brandschutznorm B1, was bedeutet das strengere Prüfergebnis der Brandschutzzertifizierung M1?
Der deutsche Gesetzgeber schreibt die Erfüllung der Brandschutznorm in §19 der Musterbauordnung, der Beherbergungsverordnung und den landesspezifischen Versammlungsstättenverordnungen vor. In allen öffentlichen Gebäuden wie Theatern, Schulen, Hotels, Verwaltungsgebäuden, Messe- und Ausstellungshallen etc., also allen Bereichen mit Publikumsverkehr, gelten diese Bestimmungen. Die Bestimmungen zum Brandschutz dienen dem Schutz der Menschen, die sich in den Gebäuden aufhalten. Das Risiko der Entstehung und Ausbreitung eines Brandes wird durch die Brandschutzbestimmungen minimiert. Durch die Beachtung der Vorschriften und die Verwendung schwer entflammbarer Medien verlängert sich im Ernstfall die Zeit zu fliehen. »Dekorationsmaterialien müssen entsprechend DIN 4102 oder DIN EN 13501-1 mindestens schwer entflammbar sein«, fordert die Neue Messe München in den technischen Richtlinien von den Ausstellern, Veranstaltern, Servicefirmen, Standbaufirmen und Dienstleistern. Diese technischen Richtlinien sind ein fester Vertragsbestandteil der Messegesellschaft und von den Vertragspartnern eigenverantwortlich einzuhalten. Mit Dekorationsmaterialien sind auch Wandverkleidungen, Raumteiler, Displays, Banner, Fahnen und dergleichen gemeint. Jeder ist dazu verpflichtet, verantwortungsbewusst zu handeln, damit kein Brand entsteht. Der Vorschrift, nur "schwer entflammbare" Materialien zu verwenden, wirft Fragen auf.
Was bedeutet »Schwer entflammbar« bei Digitaldrucken?
Der Fachbegriff »schwer entflammbar« beschreibt die Baustoffklasse B1 gemäß DIN 4102-1 von grundsätzlich brennbaren Produkten, die aber selbstverlöschend sind – also nicht selbsttätig weiter brennen. Die Norm DIN 4102-1 klassifiziert Baustoffe und Bauteile anhand des Brandverhaltens und schreibt den Nachweis bei allen Materialien vor, die nicht im Teil 4 der Norm aufgeführt sind. Um die B1-Kriterien zu erfüllen, müssen die getesteten Stoffe nach dem so genannten Brandschachttest noch eine mittlere Restlänge von mehr als 15 cm aufweisen und die mittlere Rauchgastemperatur von 200 Grad Celsius unterschreiten. Akkreditierte Prüfinstitute prüfen und klassifizieren die Produkte gemäß der geltenden Norm. Zurzeit darf noch frei zwischen der deutschen und europäischen Norm gewählt werden. DIN EN 13501-1, die europäische Norm, soll in Zukunft die deutsche Norm ablösen. Die europäische Klassifizierung für das Brandverhalten von Baustoffen beschreibt zusätzliche Parameter wie Rauchentwicklung und das brennende Abfallen/Abtropfen.
M1 bedeutetd nicht entflammbar, M2 schwer entflammbar
Demnach müssen schwerentflammbare Baustoffe mindestens die Klasse C s3 d2 erfüllen. Maximal ist B-s1 d0 in dieser Klasse möglich, das Material darf weder brennend abfallen noch Rauch entwickeln. Die Klassifizierung beruht auf dem so genannten Radiant-Panel-Test (Strahlungstest). Die Proben werden durch einen Wärmestrahler erhitzt und wiederholt mit einem Kleinbrenner an den Kanten entzündet. Die Flammausbreitung und -dauer sowie abtropfende Probenteile beeinflussen das Testergebnis. In Frankreich, Luxemburg und Belgien wird der Test Brûleur Électrique gemäß der Norm NFP 92503 M1 durchgeführt. Das Prüfergebnis M1 hat einen höheren Stellenwert als die deutsche B1-Zertifizierung. Sie bedeutet nicht entflammbar, M2 heißt schwer entflammbar. Die Versuchsanordnung entspricht in etwa dem europäischen Test, das Material wird in einem Winkel von 30 Grad zum Strahler angeordnet und mittels einer Gasflamme entzündet. Der Unterschied ist, dass die Flamme an die Stoffoberfläche gehalten wird und nicht an die Kanten. Ein nach M"-Standard schwer entflammbares Material darf höchstens fünf Sekunden brennen, es darf nichts abfallen, und die ursprüngliche Größe muss beibehalten werden. Erst wenn diese Aufgaben erfüllt sind, erzielt das Medium das begehrte Brandschutzzertifikat M1, das weltweit hohes Ansehen genießt.
Die Testanordnungen der verschiedenen Länder unterscheiden sich durch:
- die Anordnung der Proben zur Zündquelle
- die Art der Zündquelledie Intensität und Dauer der Beflammung
- die Art der Beflammung (Kanten- und Flächenbeflammung)
Die europäische Norm soll die vielen nationalen Normen der Mitgliedsstaaten ersetzen. Es wird sich zeigen, ob die Norm es schafft, von allen anerkannt zu werden. Bislang ist in Deutschland vorwiegend vom B1- und M1-Zertifikat die Rede. Auch international genießen die Prüfmethoden hohes Ansehen. Dennoch stellen viele Hersteller ihren Kunden zusätzlich Zertifikate für Amerika und Asien zur Verfügung. In Amerika gelten der Standard NFPA 701 der National Fire Protection Association und die strengere kalifornische Prüfnorm CA 1237. Für den asiatischen Raum werden die japanischen Zertifikate anerkannt. International tätige Unternehmen befinden sich somit immer auf der sicheren Seite. Raumanzüge, Feuerwehrbekleidung oder Rennsport-Overalls beschützen die Menschen vor intensiver Hitze und Feuer. Das FIA-Reglement (Fédération Internationale de l Automobile) der Formel 1 beispielsweise stellt höchste Ansprüche an die Rennbekleidung der Fahrer. Die Overalls müssen mindestens zehn Sekunden lang einer Temperatur von 820 Grad standhalten. Nur so können die Fahrer bei Unfällen vor Hitze und Flammen geschützt und Brandverletzungen vermindert werden. Dort werden hochwertige technische Textilfasern eingesetzt, die den Menschen bestmöglich vor hohen Temperaturen schützen. Diese innovativen Produkte haben ihren Preis.
Die Anforderungen an Fahnen, Vorhänge oder Raumteiler sind hoch, aber nicht ganz so hoch. Der Bedruckstoff Country Cotton FR (IQ-IJ217) von 3P Inkjet Textiles AG machte von sich reden, weil Banner aus dem Material an Bord des amerikanischen Space Shuttles Discovery zur internationalen Raumfähre ISS flogen. Das Baumwollgewebe erfüllt alle wichtigen internationalen Normen und bekam die Freigabe von der NASA (National Aeronautics and Space Administration), deren Sicherheitsbestimmungen äußerst streng sind. Die internationalen Brandschutzzertifikate kann jeder auf den 3P-Internetseiten einsehen.
Textilqualität und Brandschutz
In der Werbetechnik, für den Messe- und Bühnenbau sowie für die Show- und Event-Gestaltung werden meistens ausgerüstete bzw. beschichtete Textilien eingesetzt oder alternativ Stoffe aus flammhemmenden Fasern. Textilien aus Chemiefaser, aus Naturfasern und deren Mischungen reagieren aufgrund der Rohstoffe bereits unterschiedlich. Das Brennverhalten kann durch Faserkombinationen oder die Ausrüstung beeinflusst werden. Baumwolle und Polyester eignen sich besonders für die Ausrüstung mit flammhemmenden Chemikalien, Mischgewebe sind weniger geeignet. Die Chemikalien werden entweder vorher in den Faserrohstoff gemischt oder nachträglich auf den Stoff aufgetragen. Spezielle Textilveredler rüsten die Stoffe mit Flammschutz aus. In Deutschland achten alle Betriebe auf Umweltschutz und sichere Qualität. Das dokumentieren Zertifizierungen nach ISO DIN EN 9001 (Qualitätsmanagementsystem), 14001 (Umweltmanagementsystem) und die Validierung nach EU-Öko-Audit. Die Flammschutzprodukte schotten die Fasern gegenüber Sauerstoff ab oder sorgen für vorzeitiges Abschmelzen der Faser, so dass ein Weiterbrennen verhindert wird. Es gibt auch Produkte, die bei starker Wärmeeinwirkung geringe Mengen Wasser abspalten und so den Brennvorgang hemmen. Welches Flammschutzprodukt letztendlich in der Rezeptur verwendet wird, hängt von mehreren Faktoren ab. Denn die Imprägnierung gegen Feuer allein sorgt noch nicht für optimale Druckergebnisse beim Digitaldruck. Das Zusammenspiel folgender Parameter ist entscheidend für die Qualität des Bedruckstoffes:
- Brandschutz
- gute Druckqualität (fotorealistische Wiedergabe, Farb- und Detailtreue)
- textile Optik und weicher Griff
Weder die textilen Charakteristika noch die Druckqualität dürfen durch eine flammhemmende Beschichtung beeinträchtigt werden. Der Flammschutz fördert allerdings den Weißbruch, die Beschichtung ist knickempfindlich. Eine Eigenschaft, die im Digitaldruck auf jeden Fall negativ ist. Also wird an den Rezepturen für die Brandhemmende Beschichtung so lange gefeilt, bis alle gewünschten Eigenschaften des Brabndschutzes erfüllt und alle unerwünschten minimiert sind. Dieser Herausforderung stellt sich die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Am Ende wird auf jeden Fall ein schwerentflammbares Produkt für optimale Druckresultate verkauft. Wird das Produkt dann bedruckt und weiterverarbeitet, müsste der Druckdienstleister die Schwerentflammbarkeit erneut nachweisen. Je nach Tintenart oder Tintenauftrag kann der Brandschutz beeinträchtigt werden. Vor allem der Druck mit Lösungsmitteltinten ist bedenklich. In der Praxis ist der Nachweis allerdings nicht üblich. (Thomas Pötz)