Andreas Kraushaar (Fogra): Prozess-Standard Offset-Druck (PSO) auch für den Digitaldruck?
Wie weit muss sich der Digitaldruck dem Offset-Ruck angleichen?
Der Digitaldruck ist heutzutage nicht mehr aus dem Produktionsalltag wegzudenken. Dies trifft sowohl für den Großformat-Inkjet-Druck als auch für den digitalen Produktionsdruck (mit toner- und zunehmend Inkjet-basierten Verfahren) zu. In der grafischen Industrie zeigt insbesondere der letzte Anwendungsfall hohe Zuwachsraten, wobei Digitaldruckmaschinen die kleinauflagige Produktion Stück für Stück übernehmen. Bei höheren Auflagen beschränkt sich die Anwendung gegenwärtig auf Vorab- bzw. Nachproduktionen, wobei auch hier klare Ambitionen »nach oben« erkennbar sind.
Insbesondere vor dem Hintergrund derartiger Produktionen scheint es nahezuliegen, die vorhandenen Konzepte des standardisierten Offset-Drucks unverändert zu übernehmen. Hierzu zählen vor allem die Verwendung der gleichen Kontrollmittel, die Anwendung der gleichen Messtechnik (insbesondere die Dichtemessung zur Bestimmung der Tonwertcharakteristik) und nicht zuletzt die Auswertung und der Vergleich der Drucke auf Basis von PSO-Konformitätsprotokollen. Letztere fassen meist die Volltonfärbung, die Tonwertzunahme sowie die Graubalance zusammen und vergleichen sie mit den Zielwerten typischer Offset-Charakterisierungsdaten wie beispielsweise FOGRA39.
Während die ISO 12647-2 und somit auch der abgeleitete PSO einen Druck entweder als konform oder als nicht-konform einstuft, gehen viele Hersteller inzwischen dazu über, zusätzlich einen einzigen Indexwert zu berechnen und anzugeben. Aufgrund der mangelnden Definition sind diese Indexwerte (typischerweise Prozentwerte von 0 % bis 100 % oder Symbole von einem Stern bis beispielsweise fünf Sternen) von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich. Eine herstellerunabhängige Vergleichbarkeit wird somit unmöglich.
Während die Feststellung der Konformität (»Ja/Nein«) für den Offset-Druck das Ergebnis langjähriger Forschungs- und anschließender Standardisierungsarbeiten ist und erfolgreich praktiziert wird, soll im Folgenden an drei exemplarischen Ursachen geschildert werden, warum dieses Konzept nicht 1:1 auf den Digitaldruck übertragen werden kann. Ferner soll dargestellt werden, wie die jeweiligen Problemaspekte durch die aktive Unterstützung der Fogra kurz- bzw. mittelfristig gelöst werden könnten. Dies geschieht primär durch den direkten Transfer der Forschungsergebnisse in das für die neue Digitaldrucknorm (ISO 15311) zuständige Gremium (ISO TC130/WG3).
Unzulängliche Definition des konkreten Anwendungsbereichs
Die Verwendung des PSO für den Digitaldruck muss schon allein deshalb kritisch gesehen werden, da der Anwendungsbereich, das heißt die »zulässigen« Druckprozesse und Bedruckstoffe, nicht klar definiert ist. So ist der Begriff »Digitaldruck« als Beschreibung einer einheitlichen Druck- bzw. Bebilderungstechnologie, für die das »PSO-Konzept« anzuwenden wäre, denkbar ungeeignet. Während man dies bei tonerbasierten Digitaldrucksystemen noch intuitiv annehmen kann, ist die Anwendbarkeit beim UV-Großformatdruck auf Banner-Materialien oder dem Thermotransferdruck auf Textilien bereits mehr als fragwürdig.
Lösungsvorschlag: Das kürzlich gestartete Normprojekt ISO 15311 (»Graphic Technology – Requirements for printed matter utilizing digital printing technologies for the commercial and industrial production«) sieht eine prozessunabhängige Einteilung der einzelnen Normteile nach konkreten, sauber definierten Anwendungsbereichen vor. So adressiert der Normteil 2 den kleinformatigen Produktionsdruck (Englisch: »Commercial Production Printing«) und der Normteil 3 den großformatigen Werbemitteldruck (Englisch: »Large Format Signage Printing«).
Fehlende wissenschaftliche Grundlagen und praktische Erfahrungswerte
Die verschiedenen digitalen Technologien befinden sich im Vergleich zu konventionellen Druckprozessen noch in einem relativ frühen Stadium der Entwicklung, so dass Standardisierungsaktivitäten und dazu nötige Forschungsarbeiten noch Mangelware sind. Dies bedeutet, dass die Anwendung von Verfahren und Methoden, welche im Offset-Druck erfolgreich Anwendung finden, nicht unbedingt auf den Digitaldruck jeglicher Couleur übertragbar ist. Vielmehr muss eine solche Übertragbarkeit für die verschiedenen Anwendungsfälle und die dort eingesetzten Bebilderungsprozessen und Materialien (mit all ihren individuellen Stärken und Schwächen) individuell geprüft und entsprechend angepasst bzw. weiterentwickelt werden. Beispielhaft seien hier die für den Inkjet-Druck typischen Streifenmuster (Englisch: Inkjet-Banding) sowie eine charakteristische Körnigkeit (insbesondere bei UV-Inkjet-Drucksystemen) genannt. Sie beeinflussen die finale Bildqualität zum Teil erheblich und werden im Offset-Druck nicht berücksichtigt. Eine Prüfung gemäß PSO lässt diese Eigenschaft (unabhängig davon ob positiv oder negativ ausgeprägt) vollkommen unberücksichtigt.
Lösungsvorschlag: Die Fogra hat ein Forschungsprojekt beantragt und vor kurzem begonnen, das sich explizit mit der (Weiter-) Entwicklung von objektiven Methoden zur Bewertung der Inhomogenität sowie der Detailschärfe befasst. Erste Ergebnisse wurden bereits während des letzten Treffens des Digitaldruckarbeitskreises der Fogra und innerhalb des ISO-Komitees TC130/WG3 diskutiert. Hier sind mittelfristig herstellerneutrale und objektive Metriken zu erwarten, die eine dezidierte Prüfung der relevanten Bildqualitätsaspekte ermöglichen.
Fehlende Beziehung zu ursächlichen Prozessgrößen
Die Ausrichtung des Digitaldrucks nach den Anforderungen des jeweiligen Anwendungsfalls und nicht nach der zu Grunde liegenden Drucktechnologie stellt beispielsweise die Dichte- bzw. Tonwertmessung vor große Herausforderungen. Als wesentliche Prozessgrößen im Offset-Druck sind die Tonwert- bzw. Rasterpunktübertragung sowie die Schichtdicke zu nennen. Als hochempfindliche und somit optimale Steuergrößen haben sich die Dichtemessung (für die Steuerung der Schichtdicke) und die Tonwertzunahme (als abgeleitete Größe der Raster- und Volltondichte) zur Prüfung der Tonwertübertragung von Film über die Druckplatte bis hin zum Druckprodukt etabliert. Ferner werden diese und weitere abgeleitete Größen in der Prozesskontrolle beispielsweise zur Bewertung der Gleichmäßigkeit, der Farbannahme (Englisch: Ink Trapping) oder zur Einstellung der Druckbeistellung verwendet.
Hinzu kommt die Benutzung von Polarisationsfiltern im Messaufbau, um den Nass-Trocken-Effekt zu minimieren. All diese Messparameter können freilich auch im elektro-fotografischen und im Inkjet-basierten Druck ermittelt werden, doch ermöglichen sie keinen eindeutigen Zusammenhang zu ursächlichen Prozessgrößen mehr. Dies liegt daran, dass die zu Grunde liegenden Druck- und Bebilderungsprozesse, die eingesetzten Rasterungsmethoden sowie die Druckfarben-Bedruckstoff-Interaktion mit anschließender Fixierung sehr unterschiedlich ausgeprägt und somit nicht mehr direkt vergleichbar sind. Beispielsweise gibt es prinzipbedingt kein Dublieren im Inkjet-Druck. Eine denkbare Auswertung eines Schieben-Dublieren-Feldes führt somit zu Ergebnissen, die für den Anwender nicht bzw. schwer zu interpretieren sind. Es sei angemerkt, dass die maschineninterne Anwendung der Dichtemessung für ausgewählte Steuer- und Regelprozesse, wie beispielsweise die Prüfung der Tonerübertragung auf den Fotoleiter im elektrofotografischen Druck, nach wie vor die optimale Lösung sein kann.
Lösungsvorschlag: Viele Hersteller von DigitalDrucksystemen gehen vollständig auf eine farbmetrische Druckauswertung bzw. -inspektion über. Dies beginnt mit der Justage und Kalibrierung, geht über die Profilierung und endet bei der farbmetrischen Druckqualitätsauswertung. Diese Entwicklung zeigt sich bereits bei den druckprozess-unabhängigen Definitionen des farbverbindlichen Prüfdrucks (Englisch: »Contract Proof«) in ISO 12647-7 und des so genannten »Validation Prints«, der in ISO 12647-8 ohne densitome-trische Prozessgrößen vollständig definiert wird. Innerhalb des Digitaldruckarbeitskreises wird an einer durchgehend farbmetrisch motivierten Bewertungsmethodik samt zugehöriger statistischer Auswertung (und Unsicherheitsbetrachtung) für die Prozesskontrolle und die Qualitätssicherung gearbeitet.
Summa: Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich im konventionellen Druck das bisherige Konzept eines Prozess-Standards bestens bewährt hat und eine Anpassung an aktuelle Gegebenheiten (durch eine gerade begonnene Revision der ISO 12647-1/2/3) vollkommen ausreichend erscheint. Im Digitaldruck dagegen ist eine auf die Technologie zugeschnittene Standardisierung nur schwer vorstellbar. Vielmehr bietet sich eine prozessunabhängige Standardisierung für die verschiedenen Anwendungsfälle an, die in einem eigenständigen Normteil mit eigens dafür abgestimmten Ausprägungen wichtiger Bildqualitätsattribute untergebracht wird. Die Nachfrage nach einem dezidierten Standard sowie nach Methoden zur Prozesskontrolle und Qualitätssicherung für den Digitaldruck ist berechtigt und auch Gegenstand umfassender Gutachtenanfragen an die Fogra.
Die Anwendung von im Offset-Druck etablierten Methoden, insbesondere durch Offset-Drucker, die zusätzlich DigitalDrucksysteme nutzen, kann durchaus sinnvoll sein – sie stößt allerdings schnell an die hier aufgeführten Grenzen. Eine Zertifizierung von DigitalDrucksystemen auf Basis des PSO ist nach Meinung des Autors sachlich schlecht begründbar und möglicherweise eher monetären Gesichtspunkten untergeordnet. Lassen Sie mich mit den Worten eines Fogra-Kollegen, K.H. Schirmer [1], schließen: »Eine Standardisierung darf nicht willkürlich vorgenommen werden, sondern sie muss sich aus den Erfahrungen der Praxis entwickeln, dem neuesten Stand der Technik entsprechen und wissenschaftlich einwandfrei sein.«
Gestalten Sie die Zukunft des Digitaldrucks aktiv mit!
(1) K.-H.Schirmer, Fogra Mitteilungen 38, S. 13, 1963
Autor: Andreas Kraushaar (Abteilung Vorstufentechnik der Fogra München)